Das linke Auge der Polizei
Eine kritische Analyse des Polizeieinsatzes auf der „Mitdenken statt
Querdenken“ Demo am 21.11.20 im Illerstadion in Kempten
Mit Schrecken beobachten wir seit Beginn der Covid19-Pandemie die Entwicklung der sog. „Corona Rebellen“-Gruppierung. Schon ab der ersten Großveranstaltung dieser Gruppe war klar, wessen Geistes Kind diese Bewegung ist. Die Querdenker-Proteste sind ein rechtsoffenes Konglomerat, welches keinen Grund dazu sieht, sich von ReichsbürgerInnen, Neonazis, AntisemitInnen oder VerschwörungsideologInnen zu distanzieren. Im Gegenteil seien Personen jeglichen politischen Hintergrundes ausdrücklich erwünscht, solange sie sich gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung stellten. So wurde immer wieder in den Telegram-Gruppen diskutiert, wie denn z.B. mit Nazis in den eigenen Reihen umgegangen werden solle. Der Leitkonsens dabei war stets, dass doch auch Nazis ein Recht auf freie Meinungsäußerung hätten und alle Meinungen legitim seien, solange der gemeinsame Feind sie eine.
Die Radikalisierung der Bewegung zeigt sich nicht nur in den zahlreichen Morddrohungen gegenüber Politikern und renommierten Virologen oder den versuchten Spreng- und Brandanschlägen. Wöchentliche Superspreader-Events stellen auch hier in Kempten eine immer ernstere Gefahr für unser aller Gesundheit dar. Theoretisch unterliegen solche Veranstaltungen natürlich Auflagen wie 1,5m Abstand, Maskenpflicht und einem Hygieneplan. Schafft es die Versammlungsleitung und deren Ordner nicht, diese umzusetzen, muss die Polizei eingreifen und dies tun.
Aber wie nachlässig die Polizei dieser Aufgabe nachkommt, konnte am Montag bei der sog. „Corona Info Tour“ beobachtet werden. Bei einem Videomitschnitt während des Kooperationsgesprächs mit der Polizei erklärt diese, dass es zwar grundsätzlich eine Maskenpflicht gäbe, diese aber sehr locker umgesetzt werde: „Sprich, unsere Leute gehen rein, schauen, wo es gar nicht geht und gehen dann ganz locker an die Leute ran, wo wir das Gefühl haben, es geht gar nicht und sprechen diese an“. Den Vorschlag der Versammlungsleitung, die Polizei solle der Verhältnismäßigkeit halber doch damit lieber zu den Ordnern gehen, da sie dann aus dem Schneider seien, bestätigt der zuständige Polizist und lässt unterschwellig seine persönliche Einstellung durchklingen: „Wir sind nicht die Stadt, wir sind nicht die Versammlungsbehörde, wir sind auch nicht die Regierung. Wir sind halt die, die versuchen es umzusetzen. Ein Stück weit müssen wir halt kontrollieren, aber auch da werden wir ́s nicht verschreien.“ (1)
Ein Schelm wer hierbei Böses denkt und es wundert wohl niemanden, dass sowohl unter den geschätzten 800 Teilnehmern als auch bei den Ordnern nur eine Minderheit Masken trug oder 1,5m Abstand hielt. Auf die menschenverachtenden Diktatur-Vergleiche der BRD mit dem NS-Regime, den antisemitischen Gleichsetzungen von Corona-Auflagen mit der Judenverfolgung, behinderten-feindliche Hetze und der Aussage, es sei völlig egal ob Teilnehmer ihre Frauen schlügen, „Hitlerkreuze“ malen oder sich kinderpornographisches Material ansähen, hin, griff die Polizei nicht ein und legitimierte dadurch diese abscheuliche Opferverhöhnung. (1) Am Ende wird dann der Polizei unter tosendem Applaus gedankt, dass die Veranstaltung ohne Probleme und Schikanen durchgeführt werden konnte.
Danke für Nichts.
Bei der nächsten Großveranstaltung im Illerstadion lässt sich Ähnliches beobachten. Von den 1200 Menschen trägt kaum eine*r Maske oder hält Abstand. Mehrere Menschen sind völlig unkenntlich verkleidet, etwa als Litfaßsäule, Trauergäste oder Priester. Das Polizeiaufgebot war gigantisch. Einheiten der Bayrischen Bereitschaftspolizei und des Operativen Ergänzungsdiensts Neu-Ulm unterstützten die Kemptener Einheiten. (2)
Es hatte also theoretisch ausreichend Polizeikräfte vor Ort gehabt, um die Regelverstöße durchzusetzen.
Kurz nach Beginn des etwa 200 Personen starken Gegenprotestes positionierten sich die Polizisten jedoch klar gegen den Gegenprotest, indem sie martialisch einmarschierten, eine Kette bildend den Gegenprotest ins Auge nahmen und den Corona-Rebellen den Rücken zuwendeten. Da sich sämtliche Teilnehmer des Gegenprotestes an alle Hygieneauflagen hielten, ist dieses Vorgehen nicht nachvollziehbar. Wir sehen hier einen Einschüchterungsversuch seitens der Polizei, die sich von unserer Kritik, die Querdenken-Versammlung aufzulösen, provoziert fühlte. Trotz der völlig friedlich verlaufenden Versammlung konnten wir leider
beobachten, dass Menschen in Folge dieses Einschüchterungsversuchs unsere
Versammlung verließen.
Es gab dann einige willkürliche Kontrollen von Personalien und plötzlich wurde eine fünfköpfige Gruppe der Gegendemo von einem massiven Polizeiaufgebot festgesetzt. Vorwurf war ein Verdacht auf Schutzbewaffnung, der sich relativ schnell als haltlos erwies sowie ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot. Einer Person wurde vorgeworfen zeitweilig Mundschutz, Mütze und Sonnenbrille aufzuhaben, womit die Polizei ihr Einschreiten an diesem bitterkalten, sonnigen Novembertag rechtfertigte.
Das erst kürzlich das Verwaltungsgericht Konstanz entschied, dass Versammlungsteilnehmer auch weitere Kleidungsstücke wie Mützen und Sonnenbrillen tragen dürfen, war hierbei wohl nicht wichtig. Der Sinn des Eingriffes diente nicht der Sicherheit, sondern der Einschüchterung und Kriminalisierung unserer Kundgebungsteilnehmer. Auf die Frage, warum die Polizei bei solchen selbstdefinierten Auflagenverstößen nicht erst die Versammlungsleitung kontaktiere, antwortete der zuständige Polizist, dass man die Versammlung nicht stören wollte, aber räumt ehrlicherweise einen inkorrekten Ablauf ein. Denn der Ablauf der Versammlung wurde erst durch diesen Eingriff massivst gestört, da sich zahlreiche Teilnehmer verpflichtet fühlten, sich mit den Festgenommenen zu solidarisieren, was in einem noch größeren Polizeiaufgebot und weiteren Platzverweisen endete. Diese wurden zum Teil sehr aggressiv umgesetzt, woraufhin eine weitere Person in Handschellen abgeführt wurde. Letztlich endete diese völlig unverhältnismäßige polizeiliche Maßnahme in drei Festnahmen und es war einzig und allein die Verantwortung der Polizei, die in den Ablauf der Versammlung eingegriffen hatte.
Leider übernahmen Tags darauf verschiedene Medien ohne kritische Reflexion die Polizeiberichte und es wurde dadurch die Info vermittelt, dass es auch auf unserer Seite zu Verstößen kam. Angesichts der absichtlichen Ignoranz der hundert Meter weiter entfernt stattfindenden, völlig ungehemmten Superspreader-Party, klingt das nach einem schlechten Witz.
Das wollen wir so nicht stehen lassen.
Wir zeigen uns solidarisch mit den drei Verhafteten.
Wir hoffen, dass sich davon niemand einschüchtern lässt weiter mit uns gegen diese ignoranten, egoistischen Pandemie-Leugner vorzugehen. Wir werden uns jedenfalls nicht einschüchtern lassen und rufen dazu auf, die Einsatzstrategie der Polizei zu hinterfragen. Ihr Totalversagen zeigt uns erneut, wie wichtig es ist, gegen die selbsternannte Querdenker-Bewegung vorzugehen und das wir uns dabei nicht auf die Polizei verlassen können.
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Quellen:
(1)
CORONA INFO TOUR – 16.11.2020 – Diskussionen in Kempten – Samuel
Eckert & Bodo Schiffmann
https://www.youtube.com/watch?v=d0yppGpY8dI
(2)
https://www.all-in.de/kempten/c-lokales/1400-personen-demonstrieren-in-kempten-gegen-coronaregeln-oder-gegen-querdenker_a5096485